FRIDA
ARCHITEKTEN



Bilder: Cosima Vogel 2019 / Schweizermühle



Seit 2017 beschäftigen wir uns mit dem ehemaligen Kur- und Badeort Schweizermühle im Bielatal. Die Spuren der Zeit und die Bedeutung des Ortes sind heute noch zu spüren. Einzelne Reliquien zeugen von der langen Geschichte des Ortes. In einem Studienauftrag haben wir die bauliche Historie des Ortes dargestellt und ein Konzept für eine nachhaltige Entwicklung entworfen. Über zwei Jahre haben wir den Ort und seine Geschichte analysiert und skizziert. Daraus sind 7 Thesen und ein Entwicklungskonzept für den Ort Schweizermühle entstanden.



1. Beziehung zum Ort

Das Bewusstsein für eine eigene Zukunft muss gestärkt werden. Dabei wird bestehendes unweigerlich verändert werden, um Neues zu schaffen. Das bestehende Dorf wird dabei nicht verschwinden. Der aktuelle Stand der Technik lässt es heute zu, von zu Hause aus in der ganzen Welt zu arbeiten. Dafür braucht es aber die passende Infrastruktur und neue Raumkonzepte.

2. Individualität

Die Raumkonzepte müssen sich von denen der Stadt unterscheiden. Maßgeschneiderte Angebote, die sich von der Stadt unterscheiden, locken die Stadtbe-wohner*innen auf das Land.

3. Eigenwillig

Das Dorf sollte nicht als Ersatz zur Stadt gesehen werden, sondern eigene Siedlungsräume und Strukturen entwickeln ,um ihren individuellen Charakter und ihre spezifischen Quali- täten auszubilden.

4. Weiterbauen

Denkmalschutz besteht nicht nur darin, bestehend Substanz und Architektur zu bewahren. In diesem Kontext müssen kulturelle und wirtschaftliche Potenziale des Dorfes erkannt und konsequent gefördert werden.


5. Konkrete Orte

Kommerzialisierten "Ersatzheimaten" führen zu einer Entfremdung der gewachsenen authentischen Struktur. Aktuelle Trends für ländliche Räume verstärken die Entfremdung zur eigenen Geschichte und Tradition. Gesichtslose Ortschaften entstehen.

6. Nachhaltiger Tourismus

Tourismus hat auch positive Seiten, so verhilft er dazu, dass Orte wahrge- nommen werden und kulturell attraktiv sind. Dennoch trägt er dazu bei, Landschaftsräume stark zu verändern oder künstliche Kulturräume zu produzieren. Deshalb sollte ein nach- haltiger Tourismus gefördert werden, einer der die ökologischen Ressourcen nutzt, ohne sie zu zerstören. "Ein Ort ist dann gut, wenn er es schafft, den Tourismus selbst zu steuern, anstatt sich von ihm leiten zu lassen."1

7. Authentisch

Kultur und Tradition spielen eine wichtige Rolle für die Dorfgemeinschaft. Ein Ort ist mehr als ein Bild, es ist das Produkt der Bewohner*innen. Dieses individuelle Produkt muss authentisch weiter gelebt werden, ohne dabei resistent gegen zeitgenössische Strömungen zu sein.


*1: Vergl. Caduff; das Hyperdorf / Caduff Verlag, 2017


Villa Jordan


ehemalige Liegehalle
ehemaliges Posthotel


ehemaliges Badehaus
ehemalige Kegelbahn
ehemaliges Haus der Freundschaft



ehemaliges Badehaus


ehemaliges Posthotel



HISTORISCHE DOKUMENTATION DER GEBÄUDE


Entwicklungskonzept VIER- ökologischer Rundweg


„Im Menschen sind Feuer, Luft, Wasser und Erde, und aus ihnen besteht er. Vom Feuer hat er die Wärme, von der Luft den Atem, vom Wasser das Blut und von der Erde den Körper. Dem Feuer ver- dankt er das Sehen, der Luft das Hören, dem Was- ser die Bewegung und der Erde seinen Gang.“

Hildegard von Bingen


Das Projekt „VIER-ökologischer Rundweg Schwei- zermühle“ stellt eine neue Geschichts- und Wis- sensvermittlung dar. Das Projekt bezieht sich auf die Geschichte der Schweizermühle und stellt diese in den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs des Klimawandels. Die „Vier“ steht für die 4 Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. Diese Elemente ha- ben den Ort Schweizermühle maßgeblich geprägt und stehen heute im Fokus der Klimadebatte. Das Projekt fördert durch Interventionen das Gemeinschaftsgefühl und erweitert das örtliche Freizeitangebot für die Bewohner*innen. Das Projekt fördert den europäischen Diskurs des Klimawandels und ist ein Beispiel für einen nachhaltigen Strukturwandel.


Wasser

Das Wasser war nicht nur treibende Kraft für den Ort Schweizermühle, sondern bildete auch die wirtschaftliche Grundlage des Ortes und der Nachbargemeinden. Wasser ist nicht nur elementarer Bestandteil des Lebens – es ist ein Menschenrecht. Die Ausbreitung des Coronavirus führt uns zudem seit über einem Jahr vor Augen, wie wichtig sauberes Wasser und Hygiene für die Gesundheit sind. 2,2 Milliarden Menschen weltweit haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Eine unfassbare Zahl. Rund 785 Millionen Menschen haben noch nicht einmal eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Betroffen sind vor allem Menschen oder Familien in den ärmeren Regionen der Welt – und dort vor allem in den ländlichen Gebieten.*2

Das sich verändernde Klima wirkt sich unter anderem auf Niederschläge aus: Intensität, Dauer und Verteilung über die Jahreszeiten hinweg verändern sich. Dies wiederum beeinflusst die Menge und Qualität des Trinkwassers. Der Klimawandel verschärft insgesamt die Wasserknappheit und kann die Konkurrenz um die begrenzten Wasserressourcen noch verstärken. Zahlreiche Menschen werden in Zukunft gezwungen sein, in andere Gebiete zu ziehen.

Noch steht Wasser dem Ort Schweizermühle in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Folgen des Klimawandels können das aber verändern. Wasser steht für die Schweizermühle für Aufschwung, Erholung, Gefahr (Hochwasser) und Attraktion.


Luft

Leben heißt atmen. Nur wenn Luft sauber ist, bleiben Mensch und Natur gesund. Von Autos, Lkw und Bussen werden Schadstoffe wie Rußpartikel und Stickoxide in die Luft gepustet, die schwere Krankheiten wie Krebs verursachen und die Atemwege schädigen. Insbesondere Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub gefährden die Gesundheit, Dieselruß trägt darüber hinaus zur globalen Erwärmung bei. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht die gesetzliche Verpflichtung, Maßnahmen zur Senkung der Luftschadstoffe zu treffen. Die Grundlage dafür bildet die EU-Luftreinhalterichtlinie (2008/50/EG).

Schweizermühle war ein Luftkurort und verhalf Menschen, die an Tuberkulose erkrankt waren, zur Heilung. Für die Patienten wurden mehrere Liegehallen entlang der Waldkanten errichtet. Hier konnten die Patienten saubere Luft einatmen sowie die umgebende Landschaft und Ruhe genießen. Die Lage der Liegehallen entlang der Waldränder wurde aufgrund der wirkenden Heilung der ätherischen Öle gewählt, welche die Wälder freisetzen. Im asiatischen Raum gilt der Wald als traditionelles Heilmittel. Übersetzt wurde diese Anwendung in unseren Kulturraum mit dem Waldbaden.

Das Waldsterben in den 1960er Jahren löste die erste Welle einer Klimabewegung aus. Heute steht der Wald erneut im Fokus, da durch den Borkenkäfer befall mehrere Hektar Waldflächen gerodet werden mussten. Auch das Bielatal war stark davon betroffen. Durch die Klimaerwärmung entfachen weltweit mehrere Waldbrände, die wichtige Biotope und Lebensräume zerstören.


Erde

Der ehemalige Besitzer der Villa Jordan, Herr Bergwall, legte rund um sein Haus ein Arboretum und einen Landschaftspark an. Er sammelte eine Vielzahl an Laub- und Nadelbäume aus Europa, Asien und Amerika. Die fremden Bäume schlugen schnell Wurzeln in der Erde in Schweizermühle. Die Vereinigung „Flora , Gesellschaft für Botanik und Gartenbau“ besuchte regelmäßig das Arboretum und den Landschaftspark, den Bergwall angelegt hatte und belegt die Einmaligkeit der Anlege innerhalb Sachsens.

Der Triumph der Düngung und späteren Überdüngung, der Versalzung, der grenzenlosen Flurbereinigung wurde zu Beginn des 1900 Jahrhundert eingeleitet. Bis zu den gigantischen Monokulturen heute, den plastiküberzogenen Landstrichen und den beheizten Feldern, auf denen der Spargel dann drei Wochen früher als normal sprießt. Boden wird heute mehr und mehr von Banken und anderen Geldanlegern als Spekulationsobjekt gesehen.

Der Mensch emanzipiert sich von der Natur, indem er sie vermeintlich mehr und mehr durchschaut. Und die Technik hilft dabei: Jede technische Erfindung erscheint als Fortschritt, jeder technische Fortschritt mehrt angeblich den Wohlstand. Und kein technischer Fortschritt scheint die Erde als System zu gefährden. Was machbar ist, wird getan, nicht nur, weil man es kann, sondern fast schon, weil man es tun muss. Einige Schäden sind dabei großzügig einkalkuliert.*3

Die Erde ist erschöpfbar, ihre Vorräte, auch ihre Regenerationskraft ist begrenzt, damit ist sie auch die Grenze dessen, was wir mit ihr technisch machen können.“ Der Umgang mit dem kostbaren Gut Erde muss sich verändern. Die weitere Ausbeutung der Vorräte muss aufhören und ein nachhaltiges Konzept für die Landwirtschaft und Ressourcengewinnung erarbeitet werden.Die ehemalige Gartenanlage rund um die Villa Jordan zeigt, wie die Natur sich von Eingriffen erholen kann und wie eine nachhaltige Pflanzung aussehen kann.


Feuer

Der Ursprung der Schweizermühle liegt im Ele- ment Feuer. Durch den Abbau von Erzen aus Berggießhügel wurde im 15. Jahrhundert ein Hammer im Bielatal gegründet. Für Schweizermühle war das Feuer ein wichtiges wirtschaftliches Element. Auf der anderen Seite hat das Feuer aber auch immer wieder den Ort und einzelne Bauteile zerstört.

Der Klimawandel wird jedes Jahr sichtbarer. Ein deutlich zu beobachtender Aufwärtstrend zeigt eine erhöhte Brandgefahr, längere Brandzeiten im Jahresverlauf und intensive, sich schnell ausbreitende „Mega-Brände“, die mit herkömmlichen Brandbekämpfungsmitteln kaum zu beeinflussen sind. In diesem Jahr waren bereits Ende Juni, also zu Beginn der eigentlichen Brandsaison, rund 130 000 ha abgebrannt. Brände betreffen nicht mehr nur die südlichen Staaten, sondern stellen auch eine wachsende Bedrohung für Mittel- und Nordeuropa dar. Mehr als neun von zehn Bränden in der EU sind auf menschliches Handeln zurückzuführen. Zur Vermeidung von Katastrophen sind daher Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen der Öffentlichkeit in Bezug auf die Brandgefahr von entscheidender Bedeutung.*4


*2 europäischer Bericht zur Luftreinhaltung 2019

*3 deutschlandfunk Kultur: die Vier Elemente

 *4 deutschlandfunk Kultur: die Vier Elemente




ENTWICKLUNGSKONZEPT